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Beitrag vom 17.03.2015
Jill Barber - Fool´s Gold
Christina Mohr
Die kanadische Sängerin Jill Barber setzt voll und ganz auf Nostalgie: Auf ihrem neuen Album "Fool´s Gold" schwelgt sie in bittersüßen Jazz- und Motown-Harmonien...
Wer eine Schwäche für den Sound der Motown-Ära hat, Bigband-Jazz liebt und auf die großen Sängerinnen der Sechziger wie Brenda Lee, Patsy Cline, Doris Day und Carole King steht, sollte unbedingt das neue Album von Jill Barber hören. Die kanadische Künstlerin ist hierzulande noch nicht sehr bekannt, "Fool´s Gold", ihr immerhin siebter Longplayer, wird diesen Umstand ändern. In Kanada wurde sie bereits mit mehreren Auszeichnungen honoriert, so erhielt sie zum Beispiel für ihr Debüt "Oh Heart" den "Female Artist Recording of the Year Award" und wurde für den Juno Award als "New Artist of the Year" nominiert. Keine Frage: Diese Frau hat Talent. Als junge Singer-/Songwriterin tingelte sie durch kleine Clubs und experimentierte an ihrem Stil, doch bald erkannte Jill, dass ihre Liebe alten Vinylscheiben gehört: Je verkratzter die Platte und ausgeblichener das Cover, desto besser.
Anders als Natalie Prass, die kürzlich ihr ebenfalls tief in Retro-Klängen tauchendes Debütalbum veröffentlichte, hat sich Jill Barber auch optisch ganz der guten alten Zeit verschrieben: Stilecht posiert sie mit Bananen-Hochsteckfrisur und rückenfreiem Kleid auf dem grobkörnigen Schwarz-Weiß-Cover von "Fool´s Gold" und sie bekennt, "keine Frage, es sind die alten Standards, die mich inspiriert haben." Barber liebt die Kompositionen des Brill-Building-Zeitalters und bevorzugt die klassische Instrumentierung: Orchestrale Streicher und Bläser im Bigband-Stil, ganz darauf zugeschnitten, Jills außergewöhnliche Stimme zum Strahlen zu bringen. Dunkel, ein bisschen rauchig und melancholisch klingt Jill Barber, stets unter-die-Haut-gehend.
Ihre Songs sind durchweg Eigenkompositionen, Barber verlässt sich also nicht aufs Covern allseits bekannter Evergreens. Sie verbindet die Grandezza von Burt-Bacharach-Songs mit sanften Country-und-Western-Anmutungen, spielt mit Jazz-Elementen oder wird dezidiert retro-soulig im tanzbaren "Broken for Good". Frau merkt den Songs an, dass sie mit einem eingespielten Team aufgenommen wurden: Mit den Begleitmusikern Les Cooper (Piano) und Drew Jurecka (Violine, Saxofon) arbeitet Jill Barber schon seit einigen Alben zusammen - das kommt der Musik zugute, die so ausgewogen und im besten Sinne "reif" klingt wie nur wenige vergleichbare Veröffentlichungen dieses Genres. Die Stimmung der Platte ist romantisch – aber im bittersüßen Sinn. "Let´s call it love / in lack of a better name", singt sie und wirkt dabei so lakonisch, als hätte sie in punkto "Liebe" schon alles durch, jedenfalls keine hohen Erwartungen mehr an gefühlige Versprechungen (und dabei ist Barber gerade mal Mitte Dreißig). Auch "The Last That She Deserves" oder "If You´re Going to Break My Heart" sind alles andere als fröhliche Liebeslieder, wobei eine gewisse Grundzuversicht stets durchschimmert: Denn Jill Barber will nicht deprimieren, sondern unterhalten – was ihr auf großartige Weise gelingt.
AVIVA-Tipp: Natürlich ließe sich Jill Barber vorwerfen, dass sie sich so unbedingt und ausschließlich der guten alten Zeit widmet – andererseits: wer wollte sich beklagen angesichts dieser vollkommenen Songs?
Jill Barber
Fool´s Gold
10 Songs
Label: Outside Music/Cargo. VÖ: 13.03.2015
Jill Barber im Netz: www.jillbarber.com